Den Gelehrten Johann Georg Faust hat es wirklich gegeben. Sein Name stand aber auch Pate für zahlreiche Mythen sowie reiche literarische Verarbeitung, deren bekannteste wir natürlich beim deutschen Dichterfürsten Goethe finden.
Bereits der Geburtsort des Faustus, wie er sich im latinisierenden Stil der Renaissance nannte, ist umstritten: Knittlingen sowie Helmstadt bei Heidelberg werben dafür. Sicher ist jedenfalls, dass Faust in zahlreichen süddeutschen Städten auftauchte, und zwar wahlweise als Philosoph, Wahrsager, Wunderheiler oder Alchemist. "Er gieng hin und wider allenthalben / und sagte viel verborgene ding." , so beschrieb es der Zeitgenosse Melanchthon. Deutlich kritischer ging der Klerus mit Faust ins Gericht. Einer, der sich rühmte, die Großtaten des Gottessohnes leicht und überall nachmachen zu können, konnte ja nur ein Hochstapler und Halunke sein.
Seine Dienste waren dennoch gefragt: In Bamberg erstellte Faust für zehn Gulden dem Fürstbischof Georg III. ein Horoskop, Ende der 1520er-Jahre versuchte er sich im Kloster Rebdorf als Astronom, aus Ingolstadt wurde er freilich kurz darauf wegen Wahrsagerei fortgejagt. Nimmermüde zog er weiter, nach Tübingen, um Sterne zu deuten, nach Worms, wo er mit wechselnden Erfolgen Kranke heilte und schließlich in die Niederlande, wo er Mittel gegen Bartwuchs verschrieb, die angeblich so stark gewesen sein sollen, dass die Haut unter den Haaren gleich mit verschwand. Zwischendurch sperrte man Faust auch mal in den Kerker.
Irgendwann spülte das Schicksal den Gelehrten dann in den Breisgau, namentlich nach Staufen. Das Kleinod an der Pforte zum Münstertal, heute darob Fauststadt, reich an Reben, Kultur und Gastlichkeit, dazumal im Schutze einer starken Burg, war nämlich in Geldnöten. Genauer der Stadtherr, ein gewisser Anton von Staufen, Hobby-Schwarzkünstler mit ganz offenbar ausschweifendem Lebenswandel, welcher daher nur zu gern in Faustens Versprechen einschlug, Steine in Gold verwandeln zu können. Natürlich misslang dieses Vorhaben gründlich und weil Faust kurz darauf das Zeitliche segnete, ranken sich auch um dieses letzte Kapitel seines Daseins die tollsten Geschichten.
Immerhin wissen wir, dass er starb – das Wie ist indes ungewiss. Drei Versionen schlägt allein die Chronik des Grafen von Zimmern vor, die in heutigem Deutsch sinngemäß lautet: "Faust starb; er starb elendiglich; er wurde vom bösen Geist umgebracht." Passend dazu gehen auch die konkreten Hintergründe seines Todes auseinander. Er soll von Anhängern des Stadtherrn wegen des nicht eingehaltenen Versprechens umgebracht worden sein. Oder die Bürger des stramm katholischen Staufen fühlten sich von dem ganzen Hokuspokus veräppelt und sannen auf Rache.
Das Wirtshaus "Zum Löwen" am Marktplatz wirbt heuer unterdessen mit der sogenannten Fauststube, jener Kammer also, in welcher der Gelehrte bei Versuchen durch eine Explosion umgekommen sein soll. Diese Erzählung will es, dass der Doktor zuvor noch mit Studenten im Schankraum gezecht hat, ehe gegen Mitternacht ein lautes Poltern aus seinem Refugium zu hören war und man Faust dort mit verrenktem Kopf aufgefunden hat.
Eine letzte Version erzählen sich die Staufener nur hinter vorgehaltener Hand: Der Teufel, Mephistopheles höchstselbst, habe, nachdem der berühmte Pakt abgelaufen war, Fausten am Kragen gepackt, ihm das Genick gebrochen, die Eingeweide herausgerissen und ihm mitsamt seiner Seele dem irdischen Dasein entrissen. Einen Beweis gibt es übrigens auch: Den Abdruck der Teufelspranke, weit droben auf der Wendeltreppe des Staufener Rathauses.
Interessierten hält der inzwischen durch Erdbohrungsrisse gezeichnete Verwaltungssitz noch ein weiteres Schmankerl bereit. Ein Stock tiefer steckt eine Gewehrkugel aus der 1848er-Revolution in einem Buchrücken. Aber dies ist eine andere Geschichte.
Clemens Geißler, 2013